MANN | FRAU
KANN WERBUNG FEMINISTISCH SEIN?
Diana Arnold
2015
|
Zartes Klavier und feuchte Augen – Doves Kampagne Real Beauty verdichtet sich zu einem unschlagbaren emotionalen Argument. Deswegen braucht es den Hinweis auf die Cremes, Deos und Seifen der Marke gar nicht. Hier geht es um etwas anderes. Es geht um Frauen. Um eine Zielgruppe. Es geht um Konsumentinnen!
Die essentielle Emotion dieser Kampagne ist Erleichterung. Diese aber war damals und ist (auch heute noch) überhaupt nur möglich nach einer langen Zeit des zunehmend komplexeren Diktats, wie Frauen auszusehen und wie sie zu sein hätten. Und seit einiger Zeit auch schon, was sie kaufen sollten. Jetzt sollen sie aufatmen. Dürfen. Das Revolutionäre an dieser Kampagne war die Behauptung wurde: Kein Produkt kann dich schöner machen, denn du bist es schon und siehst es nur nicht. Die Raffinesse liegt also darin, dass hier nicht Schönheit (im Sinne eines u. a. von der Werbung kommunizierten Ideals), sondern scheinbar Ehrlichkeit käuflich erworben werden kann. Diese Ehrlichkeit wiederum soll den Schlüssel zur Selbstakzeptanz in die Hand geben. Das mündet dann in Erkenntnisse wie „Ich muss an mir arbeiten. ...[das Selbstvertrauen] wirkt sich auf alles aus – Job, Freunde, wie wir unsere Kinder behandeln. Es ist über alle Maßen entscheidend für unser Glücklichsein.“[1] Die Selbstkritik muss also einer Selbstakzeptanz weichen, die nur durch harte Arbeit, Selbstdisziplin und – Selbstkritik – gelingen kann. Ist das also der Anfang vom Ende des alten Diktat oder wird dieses nur zeitgemäßer umformuliert? Inzwischen haben viele andere den Feminismus für sich entdeckt. Obwohl es sich natürlich nicht um einen völlig neuen Trend der sogenannten dritten oder vierten Feminismuswelle handelt. Die Zigarettenmarke Virgina Slims warb schon in den 1960ern mit dem Slogan „You've come a long way, baby!“[2] dafür, dass Frauen ihre Marke gern auch – damals skandalös genug: öffentlich rauchen dürften und zielte damit auf den 2nd Wave Feminism. Zwei Wellen weiter, rechtzeitig zur Herbst/Winter-Saison 2014, erklärt die britische Marke Topshop in ihrem Promotion Magazine den Feminismus zum Trendthema und ruft die „Generation Girl“ aus. Die Kategorie „Girl“ hat dann vielleicht sogar weniger mit der rhetorischen Entmündigung der Frau als mit der jungen Zielgruppe zu tun. Die 22-jährige Cara „die Schenkellücke“ Delevingne[3] wird zum „Gesicht“ der Kampagne ernannt. Immerhin scheut man das F-Wort nicht mehr und kündigt schon im Editorial „feminist topics“ an. Das Promotion Magazine spielt mit den Mitteln des popkulturellen Journalismus, das heißt, hier werden seichte Artikel geschrieben – und gelesen. Das F-Wort aber wurde (und wird) bisher gerne noch gemieden, selbst wenn die Werbung auf weibliche Selbstermächtigung abzielt. Das könnte damit zusammenhängen, dass oft selbst jene Frauen das Wort tabuisieren oder sogar explizit zurückweisen, die sich offensichtlich und öffentlich für feministische Ideen einsetzen.[4] Aber abgesehen von diesen Widersprüchlichkeiten, stellt sich die Frage nach einem Zusammenspiel von Feminismus und Werbung. Kann überhaupt von einem Zusammenspiel die Rede sein, wenn es um eine Mittel-Zweck-Beziehung geht? Kurbeln einerseits feministische Inhalte den Verkauf eines Produktes an? Kann andererseits die Werbung zur Popularisierung des Feminismus beitragen oder diese zumindest widerspiegeln? Und wäre das dann ein guter Deal? Natalie Baker kommentiert diese Entwicklung in einem Beitrag für das BitchMagazine pragmatisch: While we don’t need to be naively over-celebratory about billion-dollar conglomerates pandering to female consumers, I do get immense enjoyment from the fact that such companies are doing so, not because they want to, but because they have to. … In fact, I like that they’re doing it out of self-interest. I don’t want feminism to be charity. I want companies to consider supporting feminism to be necessary for their survival.[5] Auch Werbung, die strategisch die Überschneidung mit feministischen Themen sucht, ist Werbung. Werbung, die sich der Zielgruppe „Frau“ verschrieben hat, um ein Produkt zu verkaufen. Sie ist allerdings keine feministische Werbung. Denn das würde bedeuten, dass sie für Feminismus wirbt, also ein ernsthaftes Interesse an der Stärkung der Gleichstellung aller Geschlechter priorisieren würde. Der fragwürdige Fortschritt, dass Frauen als Kaufkraft und Zielgruppe ähnlich ernst genommen werden wie Männer, hat also einen faden Beigeschmack. Dennoch ist Werbung immer auch ein Abbild des Mainstreams. Demnach wären der Feminismus bzw. gleichstellungspolitische Ideen zumindest teilweise im Mainstream angekommen. Der Feminismus wird nicht cooler, weil die Werbung ihn cooler macht, sondern die Werbung verarbeitet einen Trend, weil es die entsprechende Zielgruppe bereits gibt. Die Verstärkung eines solchen Trends durch dessen kommerziell motivierte Verbreitung ist nicht auszuschließen, auch wenn sie nur begrenzt wünschenswert ist. Denn selbst wenn feministische Ideen populär werden, Feministinnen also nicht mehr als Männerhasserinnen, sondern als gleichstellungspolitisch interessierte Frauen wahrgenommen werden, muss die kommerzielle Ausbeutung egal welcher Ideen weiterhin hinterfragt und kritisiert werden. Denn sie bedeutet immer auch, dass man als Konsumentin kalkuliert, aber sicher nicht als selbstbestimmte Person wahrgenommen wird, deren Forderung nach Gleichbehandlung man ernst nimmt und unterstützt. Das Problem ist also nicht die Popularisierung feministischer Ideen, sondern das drohende Missverständnis, Werbung und Konsum entsprächen politischen Aussagen und Handlungen. Denn natürlich ist der Kauf eines Produktes, das als feministisches vermarktet wird, kein gleichstellungspolitisches Engagement. 1 Dove Real Beauty Sketches, Protagonistin: „I have some work to do in myself. … I should be more grateful of my natural beauty. It impacts the choices and the friends that we make, the jobs we apply for, how we treat our children... It impacts everything. It couldn't be more critical to your happiness.“ 2 Die Ironie ist wohl dem Zufall geschuldet, wenn eine weitere Dove Real Beauty Protagonistin von sich sagt: „I've come a long way in how I see myself, but I think I still have some way to go.“ 3 Die Schenkellücke, the thigh gap, wurde 2013 populär als Indikator für besonders schlanke Frauen, deren Oberschenkel so schmal sind (die Frauen also deutlich untergewichtig und zudem mit einer von vielen möglichen Beinformen ausgestattet), dass dazwischen eine sichtbare Lücke entsteht. 4 Zum Beispiel Salma Hayek, nachdem sie die Auszeichnung einer Frauenrechtsorganisation erhalten hatte, weil sie sich für Chancengleichheit von Mädchen und Frauen einsetzt. Außerdem aber auch jede Menge andere Frauen des öffentlichen Interesses, die sich wohl nicht zuletzt aus PR-Gründen auf dem bequemeren, weil massentauglicheren Konzept „Humanismus“ ausruhen als wäre es eine Entweder-Oder-Entscheidung. (Demi Moore, Susan Sarandon, Madonna usw.) 5 http://bitchmagazine.org/post/is-girl-power-advertising-doing-any-good |